Impfgegnerschaft und die Aneignung antisemitischer Symbole

Teile der als „Querdenker“ bekannt gewordenen Bewegung gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie setzten gezielt bildliche Anspielungen auf Verbrechen der Nationalsozialisten ein. Durch Kombinationen aus symbolträchtigen Bildern und parolenhaften Formeln wollten sie sich selbst als ähnlich verfolgt darstellen wie die Opfer von NS-Verbrechen. So sollten die gesundheitspolitischen Maßnahmen skandalisiert werden. Verfremdete sogenannte „Judensterne“ kamen vor allem auf öffentlichen Demonstrationen zum Einsatz, kursierten aber auch schnell in sozialen Medien.

Die Parole „Hunde und Ungeimpfte müssen draußen bleiben“ ist eine Anspielung auf Eingangsschilder an Geschäften mit der Aufschrift „Hunde und Juden müssen draußen bleiben“. Solche und ähnliche Hinweisschilder waren in der Zeit des Nationalsozialismus weit verbreitet. Neben der Selbstdarstellung als ähnlich verfolgt wie Juden damals soll auch eine Behandlung ähnlich der von Haustieren suggeriert werden. Der „Judenstern“ mit der Aufschrift „ungeimpft“ und der Parole „Wieder soweit?“ vor dem Hintergrund der blau-weiß gestreiften Sträflingskleidung der NS-Konzentrationslager beschwört die vermeintliche Gefahr herauf, dass Impfgegner demnächst in neuen KZ inhaftiert würden.

Neben „Judensternen“ wurden weitere bildliche Anspielungen auf NS-Verbrechen durch die „Querdenker“-Bewegung genutzt. So fand zum Beispiel eine Grafik, die den Schriftzug „Arbeit macht frei“ am Eingangstor zum Konzentrationslager Auschwitz zu „Impfen macht frei“ verfremdet, Verbreitung in sozialen Medien. 2023 stuften Bayerische und Berliner Gerichte die Verbreitung dieser und ähnlicher Grafiken als Volksverhetzung ein und untersagten ihre weitere Verwendung zu Propaganda-Zwecken.
Historische Vor-Bilder
![Titelblatt-Karikatur von „Fips“ [d. i. Philipp Rupprecht]: „Die Impfung“, in: Der Stürmer 10 (1932), Nr. 6, Februar 1932, S. 1<span class=prov></span>](/site/assets/files/1065/1932_-_n_0_06_seite_1_die_impfung.400x0.jpg)
Schon 1881 nutzten Impfgegner antisemitische Argumente. Teile der nationalsozialistischen Bewegung griffen diese auf und verbreiteten sie auch in Form von Karikaturen und anderer Bildpropaganda. So bediente sich der NS-Karikaturist Philipp Rupprecht alias „Fips“ des alten judenfeindlichen Klischees der Brunnenvergiftung, um Impfungen in Verruf zu bringen. Hitler selbst befürwortete die staatliche Pflicht zur Pockenimpfung zur Stärkung der „Wehrfähigkeit“.
Überschrift und Bildunterschrift der Karikatur lauten:
Die Impfung
Es ist mir sonderbar zu Mut, denn Gift und Jud tut selten gut

1796 entwickelte der britische Arzt Edward Jenner mit einer Impfung gegen die Pocken basierend auf Viren der Kuhpocken den ersten echten Impfstoff der Welt. Insbesondere in kirchlichen Kreisen blieb die Impfung umstritten. Die größte Angst war die Schaffung eines Mischwesens aus Kuh und Mensch durch die Einpflanzung von tierischem Material in den Menschen. Ob der britische Zeichner James Gillray in seiner Karikatur diese Ängste lächerlich machen wollte oder sie eher teilte, geht weder aus der Karikatur noch aus ihrem Veröffentlichungskontext klar hervor.