Menschenversuche
Ein Versuchsopfer kämpft um Anerkennung: Jakob Bamberger

Der in Königsberg (Kaliningrad) geborene Sinto Jakob „Jonny“ Bamberger (1913–1989) stieg 1933/34 zu einem der bedeutendsten deutschen Amateurboxer im Fliegengewicht auf. Doch schlossen ihn die Nationalsozialisten aufgrund ihrer rassistischen Weltanschauung aus dem Kader für die Olympischen Spiele von 1936 aus. 1938 und 1939 errang Bamberger den Titel des deutschen Box-Vizemeisters in seiner Gewichtsklasse.
1942 wurde er ins KZ Flossenbürg eingewiesen. Nach Bambergers Verlegung in das KZ Dachau im Februar 1943 führte der Internist Dr. Wilhelm Beiglböck an ihm Meerwasser-Trinkversuche durch. Im November 1944 verlegte die SS Bamberger ins KZ Buchenwald, wo er auf seinen Vater traf. Die US-Armee befreite das Lager im April 1945. Ein Großteil der Familie Bambergers war im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet worden. Er selbst hatte bis zu seinem Tod unter den Spätfolgen der KZ-Haft zu leiden. Die Meerwasser-Trinkversuche hatten zu schweren Nierenschäden geführt, die erst 1969 als Haftfolge anerkannt wurden. Früh engagierte sich Jakob Bamberger in der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma. 1980 beteiligte er sich an einem Hungerstreik in der KZ-Gedenkstätte Dachau, um gegen die fortdauernde antiziganistische Diskriminierung zu protestieren.
![Wilhelm Beiglböck bei seiner Vernehmung während des Nürnberger Ärzteprozesses (9. Dezember 1946 bis 20. August 1947), 6. Juni 1947. Fotograf: unbekannt | <span class=prov>National Archives at College Park, College Park, MD, Collection of World War II War Crimes Records, 1933–1949, Record Group 238, File Unit Tribunal I [1] – Medical Trial – Defendants</span>](/site/assets/files/1206/final_wilhelm_beiglboeck_on_witness_stand_during_the_doctors_trial.450x0.jpg)

Gewissenlose Ärzte – tödliche Experimente
In den KZ waren die Häftlinge den Lagerärzten ausgeliefert. Über die prinzipiell herrschende medizinische Unterversorgung hinaus nutzten Ärztinnen und Ärzte die Häftlinge auch als Versuchspersonen für medizinische Experimente: von den ohne Narkose an Zwillingen durchgeführten „Operationen“ eines Dr. Josef Mengele in Auschwitz über gezielte Fleckfieberinfektionen in den Konzentrationslagern Natzweiler und Buchenwald bis hin zu Meerwasser-Trinkversuchen im KZ Dachau. Bei Letzteren sollte im Auftrag der Luftwaffe getestet werden, wie sich Salzwasser trinkbar machen ließe. Es sollten Methoden gefunden werden, um die Überlebenschancen von über dem offenen Meer abgeschossenen deutschen Piloten zu erhöhen.
Der österreichische Internist Dr. Wilhelm Beiglböck (1905–1963) wählte für die Durchführung mehr als 40 Häftlinge aus, die während des Versuchs tagelang nichts zu essen und entweder nur Salzwasser oder entsalztes Meerwasser zu trinken bekamen. Zwar kam es zu keinen Todesfällen, doch litten die Versuchspersonen oft lebenslang an Spätfolgen des Experiments. Beiglböck wurde 1947 zu 15 Jahren Haft verurteilt, doch bereits 1951 begnadigt. Bis zu seinem Tod arbeitete er wieder als Arzt.