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„Gleichschaltung“ und Selbstgleichschaltung

Der „starke Mann“ der Ärzteschaft entmachtet sich selbst: Dr. Alfons Stauder


Foto von Alfons Stauder, abgedruckt in: <i>Illustrirte Zeitung – Die Wochen­schrift des Gebildeten</i>, Bd. 180, Nr. 4589, 23. Februar 1933, Sondernummer „Arzt und Volk“, S. 222. Fotograf: unbekannt<span class=prov></span>
Foto von Alfons Stauder, abgedruckt in: Illustrirte Zeitung – Die Wochen­schrift des Gebildeten, Bd. 180, Nr. 4589, 23. Februar 1933, Sondernummer „Arzt und Volk“, S. 222. Fotograf: unbekannt

Der auf Magen- und Darmkrankheiten spezialisierte Arzt Alfons Stauder (1878–1937) begann bereits 1904 eine Karriere in verschiedenen Ärztevereinen. Ab 1926 war er erster Vorstand des Deutschen Ärztevereinsbunds und ab 1929 auch des Hartmannbunds. Damit war er bis zur NS-Machtübernahme der mächtigste Ärztefunktionär der Weimarer Republik.

Als Dr. Gerhard Wagner, Leiter des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebunds (NSDÄB), zum Kommissar der beiden großen Ärzteverbände ernannt werden sollte, sträubte sich Stauder zunächst, stimmte schließlich aber zu. Im März 1933 forderte er zudem die Entfernung aller jüdischen Ärztefunktionäre aus ihren Positionen. Am 7. Juni 1933 gab er in einer Erklärung an die Mitglieder des Ärztevereinsbunds und des Hartmannbunds die Parole von der „absolut notwendigen Gleichschaltung der ärztlichen Standesorganisationen“ aus und trat von all seinen Ämtern zurück. 

Ein demokratischer Ärztefunktionär wird verdrängt: Dr. Fritz Wester


Foto von Fritz Wester, abgedruckt in: Handbuch für den Preußischen Landtag, Ausgabe für die 5. Wahlperiode, Berlin 1933, S. 445. Fotograf: unbekannt<span class=prov></span>
Foto von Fritz Wester, abgedruckt in: Handbuch für den Preußischen Landtag, Ausgabe für die 5. Wahlperiode, Berlin 1933, S. 445. Fotograf: unbekannt

Geboren 1880 im Bergischen Land war Fritz Wester dem politischen Katholizismus eng verbunden. Nach seiner Ausbildung zum Arzt arbeitete er zunächst als Medizinalbeamter. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs wandte er sich der Politik zu. Er trat der Zentrums-partei bei und gehörte ab 1923 dem Preußischen Landtag an. Als Vorstandsmitglied des Hartmannbunds war er ein einflussreicher Gesundheitspolitiker. Seine politischen Überzeugungen brachten ihn früh in Konflikt mit den Nationalsozialisten. Im März 1933 drängten NS-Funktionäre und -Politiker auf die Entfernung Westers aus allen Ämtern. Auch Stauder und der Vorstand des Hartmannbunds hielten ihn für „untragbar“. Wester überlebte die NS-Herrschaft und spielte beim Wiederaufbau der ärztlichen Selbstverwaltung im Rheinland eine zentrale Rolle. Er starb 1950 in Köln.

Protokoll der Sitzung des Engeren Vorstands des Hartmannsbunds am 24. März 1933, unpaginierte Seite aus dem Protokoll­buch | <span class=prov>Alt-Archiv der Kassenärztlichen Bundes­vereinigung (KBV), Berlin, 00017</span>
Protokoll der Sitzung des Engeren Vorstands des Hartmannsbunds am 24. März 1933, unpaginierte Seite aus dem Protokoll­buch | Alt-Archiv der Kassenärztlichen Bundes­vereinigung (KBV), Berlin, 00017

Im Gleichschritt zum „Reichsärzteführer“

Im August 1933 wurde mit der Gründung der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands (KVD) erstmalig eine gesetzlich verankerte ärztliche Interessenvertretung auf Reichsebene geschaffen. Im Kaiserreich und in der Weimarer Republik hingegen hatte es freiwillige Berufsverbände für Ärztinnen und Ärzte gegeben, von denen der Deutsche Ärztevereinsbund und der Hartmannbund – der Verband der Ärzte Deutschlands – die mit Abstand größten waren. Die NSDAP verfügte mit dem Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebund (NSDÄB) über eine parteieigene Kampforganisation. Dessen Leiter, Dr. Gerhard Wagner, strebte die volle politische Kontrolle über den Ärztevereinsbund und den Hartmannbund an. Seiner Ernennung zum Kommissar der beiden großen Verbände stimmten diese am 24. März 1933 zu und gaben damit die bislang von ihnen behauptete politische Überparteilichkeit auf. Ab 1934 lautete Wagners Amtsbezeichnung „Reichsführer der Deutschen Ärzteschaft“.