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„Gesundheitsführung“

Eine steile NS-Karriere: Dr. Ursula Kuhlo


Foto von Ursula Kuhlo aus einem Einstellungsformular von 1965. Fotograf: unbekannt | <span class=prov>Landesarchiv NRW – Abteilung Ostwestfalen-Lippe, D 99 Nr. 18570</span>
Foto von Ursula Kuhlo aus einem Einstellungsformular von 1965. Fotograf: unbekannt | Landesarchiv NRW – Abteilung Ostwestfalen-Lippe, D 99 Nr. 18570

Ursula Kuhlo (1909–1984) studierte Medizin und Sport in Königsberg (Kaliningrad). Danach begann sie eine Karriere in den ärztlichen Standes­organisationen und in der Reichsjugendführung (RJF): Ab 1937 war sie als „Mädelschafts­führerin“ des Bundes Deutscher Mädel (BDM) im Stab der RJF tätig, 1938 ernannte der „Reichsärzteführer“ sie zur Leiterin des Referats Ärztinnen in der Reichsärztekammer und der KVD, ab 1940 leitete sie als „Obergauführerin“ das Amt für Gesundheit der RJF. Damit war sie die erste Frau in einer derartigen Position.

Bereits 1937 hatte Kuhlo an einer Tagung von Gebietsärzten der Hitler­jugend in der „Führerschule der deutschen Ärzteschaft“ in Alt Rehse teilgenommen, später leitete sie dort selbst Kurse. Neben der fachlichen Fortbildung dienten jene Kurse auch der ideologischen Schulung im Sinne des Nationalsozialismus. Kuhlo arbeitete nach dem Zweiten Weltkrieg in Bielefeld weiterhin als Kinderärztin. Zeitweise bildete sie an einer Berufsschule angehende Kindergärtnerinnen aus.

Foto-Postkarte mit Poststempel vom 11. oder 14. August 1937. Der Absender der Karte war der Architekt der am 1. Juni 1935 eröffneten „Führerschule der deutschen Ärzteschaft“, Hans Haedenkamp. | <span class=prov>Alt-Archiv der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Berlin, 00381</span>
Foto-Postkarte mit Poststempel vom 11. oder 14. August 1937. Der Absender der Karte war der Architekt der am 1. Juni 1935 eröffneten „Führerschule der deutschen Ärzteschaft“, Hans Haedenkamp. | Alt-Archiv der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Berlin, 00381

Der Einzelne zwischen Selbstoptimierung und staatlicher Kontrolle

Bereits vor der Machtübernahme entwickelten die Nationalsozialisten ihre eigene Vorstellung von Medizin. Unter dem Begriff „Gesundheitsführung“ wurden diese Ideen ab 1933 gesundheitspolitisch umgesetzt. Gemeinschafts­sport sollte die Leistungsfähigkeit des Einzelnen steigern. Doch im Prinzip sollte die Gesundheit des einzelnen Patienten nicht mehr im Vordergrund stehen. Stattdessen sollten Ärztinnen und Ärzte ausschließlich im Sinne der „Volksgesundheit“ handeln und Kontrolle über ihre Patienten ausüben. Diese Ideologie gipfelte in der Ermordung behinderter und kranker Menschen, die als Gefahr für die „Volksgesundheit“ angesehen wurden. Um die Ärzteschaft auf diese Aufgaben einzuschwören, wurde in Mecklenburg die „Führerschule“ Alt Rehse eingerichtet. Hier fanden vor allem für Ärztinnen und Ärzte regelmäßige Schulungen im Sinne der NS-Ideologie statt.