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Die Trennung jüdischer und nichtjüdischer Patientinnen und Patienten

Vom Klinikleiter zum „Krankenbehandler“ degradiert: Dr. Adolph Calmann


Foto von Adolph Calmann, undatiert. Fotograf: unbekannt | <span class=prov>Staatsarchiv Hamburg, 720-1/388-37 Epstein, Felix, Nr. 36.2</span>
Foto von Adolph Calmann, undatiert. Fotograf: unbekannt | Staatsarchiv Hamburg, 720-1/388-37 Epstein, Felix, Nr. 36.2

Adolph Calmann (1871–1962) betrieb ab 1917 eine Frauenklinik im Hamburger Stadtteil Rotherbaum. Sie war die größte ihrer Art in Hamburg und hatte einen großen Stamm an jüdischen wie nichtjüdischen Patientinnen. Zum 30. September 1938 entzog die KVD jüdischen Ärztinnen und Ärzten – darunter auch Adolph Calmann – die Approbation. Ab Ende 1938 durfte er als „Krankenbehandler“ nur noch jüdische Patientinnen und Patienten behandeln, seine nichtjüdischen Patientinnen mussten sich einen nichtjüdischen Arzt suchen.

1940 stand Calmann als vermeintlicher „Abtreiber“ vor Gericht. Zwar konnte er seine Unschuld beweisen, doch war der Druck so groß geworden, dass er sich zur Auswanderung entschied. Nach einer Odyssee gelangte Calmann über Haiti und Argentinien nach Uruguay. 1954 kehrte er nach Hamburg zurück. 

Auch den jüdischen Ärztinnen und Ärzten in Österreich wurde 1938 die Approbation entzogen. Dr. Herbert Neuwalder durfte seitdem nur noch jüdische Patientinnen und Patienten behandeln. | <span class=prov>Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv, ÖGZ H 5356</span>
Auch den jüdischen Ärztinnen und Ärzten in Österreich wurde 1938 die Approbation entzogen. Dr. Herbert Neuwalder durfte seitdem nur noch jüdische Patientinnen und Patienten behandeln. | Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv, ÖGZ H 5356

„Zur ärztlichen Behandlung nur für Juden berechtigt“

Mit der Machtübernahme 1933 bot sich den NS-Ärzten und -Politikern die Möglichkeit, ihre antisemitischen Vorstellungen umzusetzen und Jüdinnen und Juden vollständig aus dem Gesundheitswesen zu verdrängen. Doch bald zeigte sich, dass ein schneller Ausschluss jüdischer Ärztinnen und Ärzte zu schweren Versorgungsengpässen für jüdische und nichtjüdische Patienten führen würde. Daher erfolgte die Verdrängung Schritt für Schritt. Die Entwicklung fand ihren Höhepunkt im Sommer 1938, als das Reichsinnenministerium mit der Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz allen noch verbliebenen jüdischen Ärztinnen und Ärzten die Approbation zum 30. September entzog. Die Folge war eine medizinische Unterversorgung der verbliebenen jüdischen Bevölkerung.

Nach Verhandlungen des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens und der Berliner jüdischen Gemeinde mit Vertretern von KVD und Gesundheitsbehörden im August 1938 wurde einigen jüdischen Ärztinnen und Ärzten gestattet, zumindest jüdische Patienten weiterhin zu betreuen. Für diese Ärztinnen und Ärzte wurde die demütigende Bezeichnung „Krankenbehandler“ geschaffen. Praxisschilder, Rezeptzettel und Stempel mussten nach strengen Vorschriften gestaltet sein.